Familien Schiff und van Geldern

Das Kaufhaus „Geschwister Weinthal“, Herdetor 137 (heute Nr. 36)

1925 ließ Samuel Weinthal das moderne Wohn- und Geschäftshaus für seine Töchter Henny, Dora und Minna bauen. Minna (1897) und ihr Ehemann Ernst Schiff (geb. 1897 in Oberthulba) führten gemeinsam das Textilgeschäft „Geschwister Weinthal“ im Erdgeschoss und bewohnten die Wohnräume im Obergeschoss.

Das gut gehende Geschäft litt ab 1933 unter den Repressalien der Nazis. In der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde auch das Ehepaar Schiff hinter dem Rathaus eingesperrt. Ernst Schiff verbrachte gemeinsam mit den anderen jüdischen Männern eine weitere Nacht in der Stadtscheune, bevor sie am 11. November in das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg bei Berlin deportiert wurden. Am Mittag des 10. November räumten SA-Männer das Warenlager der „Geschwister Weinthal“ aus und brachten sämtliche Textilien in das Parteihaus der NSDAP. Wie Samuel Weinthal mussten auch die Schiffs ihren Betrieb weit unter Wert verkaufen. Nach seiner Freilassung aus Sachsenhausen gelang Ernst Schiff im August 1939 die Flucht nach England. Am 24.02.1940 meldete sich Minna in Esens ab und verließ Deutschland am 17. März 1940 nach Nordamerika, wo sie wieder mit ihrem Mann zusammentraf.

Vermutlich lebte in der Zeit vor ihrer Auswanderung nach Argentinien im Jahr 1937 auch die Familie van Geldern zeitweilig in dem Geschäftshaus „Geschwister Weinthal“. Bertha van Geldern (1899) war die Tochter von Samuel und Rosette Weinthal und mit dem Viehhändler Hermann van Geldern (1889) aus Winschoten/NL verheiratet, der bis 1935 einen Viehhandel in Esens betrieb. Sie hatten zwei Kinder: Hetta (1923) und Siegbert (1924). Die Familie van Geldern bereitete sich ab 1936 auf die Auswanderung nach Argentinien vor. Hermann besuchte 1936 das „Landwerk Neuendorf“ bei Fürstenwalde östlich von Berlin, eine von Zionisten geführte Einrichtung zur Ausbildung in der Landwirtschaft und Gärtnerei. Aus Kostengründen löste die Familie ihre eigene Wohnung auf. Siegbert berichtete später davon, dass er vor der Flucht auf dem Dachboden des Geschäftshauses des Ehepaares Schiff wohnte und im Betrieb half. Seine Schwester Hetta schickten die Eltern auf die Gartenbauschule Ahlem bei Hannover.1936 reiste Hermann als „Vorfahrer“ nach Argentinien. Am 11. November 1937 (Datum der Abmeldung) verließen Bertha und die beiden inzwischen 14 und 13 Jahre alten Kinder Esens und erreichten nach einer dreiwöchigen Schiffsreise Argentinien.