Familie Wolff

Herderstraße 20

Karl Wolff

Karl Wolff wurde am 2. April 1873 in Aurich geboren. 1901 erwarb er in Esens das Haus des früheren Bankvorstehers Heyko Janssen in der Herdestraße 27. Er baute den Betrieb aus und machte sich als Viehhändler selbstständig. Das Geschäft florierte und bald waren Karl und andere jüdische Kaufleute aus der Region fest im hiesigen Wirtschaftsleben verwurzelt.

Karl lernte Flora Oppenheimer kennen. Beide heirateten und bekamen zusammen Tochter Johanna (1904) und sechs Söhne: Siegfried (1906), Arthur (1907), Richard (1909), Bernhard (1910), Walter (1911) und Josef (1912).

!908 wurde Karl mit großer Mehrheit in den Vorstand der jüdischen Gemeinde Esens gewählt, wo er viele Jahre als Synagogenvorsteher aktiv war. Doch mit der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde das Leben der jüdischen Einwohner zunehmend schwerer. Bereits im Juli 1935 gehörte Karl Wolff zu den jüdischen Gewerbetreibenden, deren Namen in der rechtsextremen „Ostfriesischen Tageszeitung“ veröffentlicht wurden, um die sogenannten „Volksgenossen“ vom Kauf in diesen Geschäften abzuhalten.

Die Justiz schützte die jüdischen Menschen kaum noch. Viele Übergriffe blieben ungestraft. Ein Beispiel dafür belegt ein Artikel aus der „Ostfriesische[n] Tageszeitung“ vom 9.2.1935: „Gerichtsverhandlung. Bei der am Donnerstag stattgefundenen Gerichtsverhandlung waren zwei SA-Männer beschuldigt worden, Oktober vorigen Jahres bei dem Viehjuden Wolff mit einer abgebrochenen Zaunlatte eine Fensterscheibe zertrümmert zu haben. Der Zuhörerraum war überfüllt. Als Zeugen waren unter anderem die beiden hiesigen Nachtwächter M. und A. geladen, die erklärten, die beiden Angeklagten in der fraglichen Nacht erkannt zu haben. Im Laufe der Verhandlung wurde festgestellt, dass die beiden Angestellten mit der Tat nicht in Verbindung zu bringen sind. Die übrigen Zeugen sagten aus, dass die Angeklagten in der Nacht mit ihnen zusammen gewesen seien und ihres Wissens die Tat nicht verübt haben könnten. Das Gericht sprach die Angeklagten frei.“

Karl Wolff verstarb 1936. Auf dem Weg zu seiner Beerdigung wurde der Trauerzug von einer großen Schar jubelnder Schulkinder begleitet, die selbst auf dem Friedhof noch lärmten und die Angehörigen beschimpften. Von gaffenden Erwachsenen mussten die Trauernden hören: „In dieses Grab müssten alle Juden rein.“

Flora Wolff (geb. Oppenheimer)

Flora Wolff wurde am 7. April 1881 als Flora Oppenheimer in Esens geboren. Im Jahre 1902 heiratete sie den aus Aurich zugezogenen Karl Wolff. Das Paar bekam zusammen acht Kinder, wobei der Erstgeborene Alfred (1903) schon im Säuglingsalter verstarb. 1904 wurde die einzige Tochter Johanna (Hanna) geboren. Es folgten Siegfried (1906), Artur (1907), Richard (1909), Bernhard (1910), Walter (1911) und Josef (1912).

Nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 wurde auch für Familie Wolff das Leben immer schwerer. Das musste auch Flora erfahren. Es ist anzunehmen, dass Nachbarn sich abwendeten, sie und die Kinder drangsalierten und beschimpften. Auf Hilfe von der Justiz oder vom Staat konnten sie nicht hoffen. Selbst auf der Beerdigung ihres Mannes Karl 1936 wurden die Angehörigen von Kindern und Erwachsenen verhöhnt und attackiert.

Zeitweise lebte Flora mit ihrem Sohn Josef und dessen Frau von 1938 an im sogenannten „Esenser Judenhaus“, dem jüdischen Gemeindehaus in der Burgstraße (heute August Gottschalk Haus). 1939 gelang ihr die Flucht über Mannheim nach Argentinien.

Richard Wolff

Richard Wolff wurde am 15. März 1909 in Esens geboren. Er war ein Sohn von Karl und Flora Wolff. Nach Beendigung der Schule lebte er zeitweise in Bottrop in Westfalen, um dort zu arbeiten. 1933 kehrte Richard nach Esens zurück, zog aber 1934 nach Aurich, wo er im Jahr 1936 Julia Silberschmidt aus Groß Reken in Westfalen heiratete.

Um den ständigen Demütigungen und der zunehmenden Bedrohung durch die Nationalsozialisten zu entkommen, wanderten Richard und Julia 1939 mit ihrer kleinen Tochter nach Chile aus.

Siegfried Wolff

Siegfried Wolff wurde am 13. März 1906 in Esens geboren. Er war ein Sohn von Karl und Flora Wolff (geb. Oppenheimer). Nach seiner Schulzeit trat er in die Fußstapfen seines Vaters und wurde ebenfalls Viehhändler. Damit trug er wie auch schon sein Vater zum florierenden Wirtschaftsleben in der Region bei.

Siegfried heiratete Herta Weinberg, die aus Hameln nach Esens zog. Im Jahr 1937 wurde ihre Tochter Ellen geboren.

Doch mit der Machtübernahme durch die Nazis 1933 änderte sich das Leben der Familie radikal. So veröffentlichte die rechtsradikale „Ostfriesische Tageszeitung“ am 20. Juli 1935 eine Liste aller damals in Ostfriesland noch vorhandenen Gewerbebetriebe mit Namen, Anschrift, und der Aufforderung: „Volksgenossen, kauft nicht in folgenden jüdischen Geschäften…“. Auf dieser Liste tauchte auch der Name von Siegfried auf. Nicht auszudenken, welche Bedrohung dies für die Existenz der kleinen Familie bedeutete.

Angesichts dieser immer beängstigender werdenden Zeiten verzog die Familie 1938 nach Hannover. Später gelang ihnen die Flucht nach Argentinien, um dem zunehmenden Druck und der Verfolgung zu entkommen.

Herta Wolff (geb. Weinberg)

Herta Weinberg wurde am 26. März 1913 in Coppenbrügge (Niedersachsen) geboren. Sie war die Tochter von Sally und Ella Weinberg. Im September 1935 zog Herta aus Hameln, wo sie die Handelsschule besucht hatte, nach Esens. Sie heiratete hier Siegfried Wolff am 25. September 1935. Ihre gemeinsame Tochter Ellen wurde 1937 in Esens geboren.

Schon bei ihrem Umzug nach Esens im Jahr 1935, war ihr Leben von Anfeindungen, Demütigungen und Ausgrenzung geprägt. Um den dunklen Zukunftsaussichten zu entkommen, zog die kleine Familie im März 1938 zunächst nach Hannover. Später gelang Familie Wolff die Flucht nach Argentinien, um der zunehmenden Gefahr und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entkommen.

Bernhard Wolff

Bernhard wurde am 29 April 1910 in Esens geboren und wuchs als Sohn von Karl und Flora Wolff auf. Nach dem Schulbesuch erlernte Bernhard den Beruf des Kaufmanns. Zusammen mit Louis Weinthal arbeitete er in der Eisenhandlung „Weinthal und Wolff“, die von Louis Weinthal gegründet und geführt wurde. Bernard heiratete 1937 die aus Dargun in Mecklenburg stammende Fanny Mitau.

Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 änderte sich das Leben der jüdischen Bevölkerung dramatisch. Als am 20. Juli 1935 die „Ostfriesische Tageszeitung“ eine Liste mit Namen und Adressen jüdischer Geschäftsinhaber veröffentlichte, mit der Aufforderung: „Volksgenossen, kauft nicht in diesen jüdischen Geschäften“, war auch die Firma „Weinthal und Wolff“ betroffen. Die darauffolgende „starke antijüdische Hetze“- wie es Bernhard Wolff später ausdrückte – war der Grund für die Auflösung des Geschäftes. Das Leben wurde zunehmend unerträglich für Bernhard und seine Familie.

Nachdem Bernhard 1936 eine Orientierungsfahrt nach Palästina und Zypern unternahm, um die Aufnahmechancen im Ausland zu erkunden, riet er seinen Glaubensgenossen dringend zur Auswanderung. Gemeinsam mit seiner Frau Fanny gelang ihm im Oktober 1937 die Flucht nach Brasilien, um dem wachsenden Antisemitismus zu entkommen und ein neues Leben zu beginnen.

Walter und Karoline Wolff

Walter Wolff wurde am 28. Juli 1911 in Esens geboren, als Sohn von Karl und Flora Wolff. Nach seiner Schulzeit erlernte er den Beruf des Schlachters und heiratete Karoline Bermann, die aus Gießen stammte und dort am 7. Februar 1910 geboren wurde.

Mit Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 wurde das Leben von Walter und Karoline zunehmend schwerer, geprägt von Ausgrenzung und Demütigung.

Um dem zunehmenden Antisemitismus zu entkommen, gelang ihnen im November 1937 die Flucht nach Argentinien. Dabei wurden sie begleitet von dem damals 13-jährigen Siegbert von Geldern, seiner Mutter und Schwester. Die Flucht wurde durch eine jüdische Stiftung des Barons Hirsch ermöglicht, die Ländereien in Argentinien besaß. Familien mit Kindern wurden von der Stiftung bevorzugt, was dazu führte, dass Familien manchmal künstlich zusammengeführt wurden, um den Nazi-Behörden zu entgehen.

Josef und Ruth Sophie Wolff

Josef Wolff wurde am 12. Dezember 1912 in Esens geboren. Er war das jüngste Kind von Flora und Karl Wolff. Nach Abschluss der Schule erlernte er den Beruf des Schlachters.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde auch für Josef das Leben in Esens zunehmend unerträglich. So musste er von Mai 1937 bis November 1938 auf Befehl der Gestapo (Geheime Staatspolizei) Zwangsarbeit unter sehr harten Bedingungen auf der Wilhelmshavener Werft leisten. Unterbrochen wurde die Zwangsarbeit nur für eine Ausbildung in der Landwirtschaft und Gärtnerei von Mai bis August 1938 in Brandenburg, welche er für eine geplante Emigration nach Argentinien benötigte, um dort als Landwirt aufgenommen zu werden.

Auf dieser Schulungs- und Ausbildungsstätte im Brandenburgischen Kreis Lebus lernte Josef Ruth Sophie Levy kennen. Ruth Sophie wurde am 12. März 1919 in Mainz geboren. Als letztes jüdisches Paar wurden Ruth Sophie und Josef am 19. August 1938 in der Esenser Synagoge getraut.

Mit Zwischenstation in Mannheim gelang den beiden 1939 die Flucht nach Argentinien.